Presseerklärung zum Thema: „Gebetsmöglichkeiten in der Schule“

Wir begrüßen die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts aus der vergangenen Woche bezüglicher der Gebetsmöglichkeit in der Schule. Das Verhältnis zwischen der staatlichen Neutralität und der Religionsfreiheit wurde einmal mehr in Deutschland durch die Justiz klar gestellt. Dies ist einerseits begrüßenswert, aber andererseits wiederum bedauernswert, weil wieder einmal ein Gericht mit der Beantwortung einer Frage bemüht wurde, deren einzige Antwort eigentlich selbstverständlich ist. Schüler und Schülerinnen dürfen ab sofort außerhalb der Unterrichtszeit ihre Gebete durchführen.

Die in unserer Verfassung verankerte Religionsfreiheit schützt die Freiheit des Glaubens und seine Praktizierung. Sie wird uneingeschränkt gewährleistet und unterliegt lediglich einer verfassungsimmanenten Schranke, was bedeutet, dass die Religionsfreiheit dort ihre Grenzen findet, wo Grundrechte anderer berührt werden.

Als Muslime haben wir uns seit Jahren für einen Raum der Stille an den öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten, Flughäfen und Krankenhäusern eingesetzt, sind jedoch immer wieder auf Unverständnis und Intoleranz gestoßen. Regelmäßig wurde geantwortet, dass die Einrichtung eines solchen Raumes nicht in den Aufgabenbereich der Institution gehört. Ein Gericht haben wir bis heute nicht bemüht, weil wir denken, dass dies ein gesellschaftlicher Prozess ist, der in einigen Jahren seinen eigenen Weg in die richtige Richtung nehmen wird.

Wer in der Religionsfreiheit eine Gefahr sieht und versucht gegen diese vermeintliche Gefahr vorzugehen, sollte wissen, dass er die deutsche Verfassung missachtet und eigentlich selbst eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellt. Gegen die Religionsfreiheit gerichtete Äußerungen sind unseres Erachtens nicht mehr von der ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit geschützt und müssen geahndet werden. Insbesondere die Reaktionen in der Politik waren äußerst negativ. Viele CDU-Politiker haben erklärt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Integration der Muslime hindert und daher eine Berufung gegen das Urteil eingelegt werden müsse.

Özcan Mutlu, Abgeordneter der Bündnis 90 Die Grünen, wendet sich ebenfalls gegen das Urteil und fragt öffentlich, ob man auch in Sachen Toleranz Weltmeister sein muss. Mutlu geht davon aus, dass das Urteil sich integrationshemmend auswirken wird. Wir erachten die Entscheidung des Gerichts ganz im Gegenteil als integrationsfördernd, auch wenn solche Fragen eigentlich nicht gerichtlich gelöst werden sollten. Die Muslime sind ein Teil dieser Gesellschaft und müssen als solcher wahrgenommen werden. Schließlich ist Integration, wenn das Andere normal wird. Die Muslime sind bemüht sich zu integrieren. Integration ist aber kein einseitiger Prozess. Hier muss die Mehrheitsgesellschaft, als auch die Politik noch ihren eigenen Beitrag dazu leisten. Dies funktioniert nicht durch Missachtung und Intoleranz, sondern ausschließlich durch gegenseitigen Respekt.

Schließlich rufen wir dazu auf jegliche islamfeindliche Politik einzustellen. Dies fördert einzig und allein die Fremdenfeindlichkeit, verursacht Islamophobie und hat in der nahen Vergangenheit dazu geführt, dass unsere Glaubensschwester Marwa Opfer eines islamfeindlichen Angriffs wurde.

Die Bundestagswahlen in der vergangenen Woche haben gezeigt, dass viele Politiker noch keine Lehre aus dieser Tat gezogen haben. Frau Vogelsang, die Bundestagskandidatin der CDU aus dem Berliner Bezirk Neukölln, hat sich beispielsweise damit gerühmt, erfolgreich zwei Moscheebauten von „mutmaßlich islamistischen“ Vereinigungen in Neukölln verhindert zu haben und angekündigt sich im Bundestag gegen islamistische Gesetze einzusetzen. Wir bezweifeln, dass die Mehrheit in unserer Gesellschaft den Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten „islamisch“ und „islamistisch“ kennt und Frau Vogelsang sowie andere Politiker dies sehr gut wissen. Die Religion darf nicht politisch instrumentalisiert werden. Die Geschichte dieses Landes hat gezeigt, dass dies verheerende Folgen haben kann. Wer kann so etwas verantworten?

Mit dem Wunsch auf eine friedliche Zukunft möchten wir zu mehr Respekt und Verständnis für die religiösen Anliegen anderer aufrufen.

Berlin, den 06.10.2009