Ramadan 2018

Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Geschwister im Islam,

es ist wieder einmal soweit: Der Fastenmonat Ramadan steht kurz bevor.

Vom 16.05.-14.06.18 werden die Muslime – sofern sie religionsmündig und gesund sind – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder Essen noch Trinken. Der Monat Ramadan wird auch als Monat des Korans (Schahrul-Quran), der Monat der Geduld (Schahrul-Sabr), der Monat des Nachdenkens (Schahrul-Tefekkur) bezeichnet. In diesem Monat wird sich die Barmherzigkeit Allahs überall verbreiten.

Wieso fasten über eine Milliarde Muslime weltweit im Fastenmonat Ramadan? Folgendes sagt der Quran:

يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُواْ كُتِبَ عَلَيْكُمُ الصِّيَامُ كَمَا كُتِبَ عَلَى الَّذِينَ مِن قَبْلِكُمْ لَعَلَّكُمْ تَتَّقُونَ

„O ihr, die ihr glaubt. Euch ist das Fasten vorgeschrieben, wie es auch denjenigen vor euch vorgeschrieben wurde. Vielleicht werdet ihr ja (dadurch) gottesbewusst.” (Sure 2:183)

Aus diesem Vers erhalten wir zwei sehr wichtige Informationen:

1. Das Fasten war schon vor dem Propheten Muhammad (Friede sei mit ihm) eine von Gott auferlegte Pflicht, die die Muslime noch heute weiterführen.

2. Die Muslime treten mit Glauben (Iman) in diesen gesegneten Monat ein, da Allah sie am Anfang des Verses mit „O ihr, die ihr glaubt“ anspricht und dann mit „taqwa“ aus diesem Monat aus. Und das ist das primäre Ziel des Fastenmonats.
Das Wort „taqwa“ bedeutet „Gottesfurch“ oder „Gottesbewusstsein“, wobei die Beziehung zwischen Mensch und Gott nicht primär durch Furcht bestimmt ist, sondern durch Hoffnung und Liebe. Die höchste Stufe ist es diese Beziehung auf bedingungslose Liebe aufzubauen, wo weder Furcht vor Hölle, noch Hoffnung auf das Paradies maßgeblich sind, sondern die hingebungsvolle Dankbarkeit gegenüber Allah, weil Er uns als Menschen erschaffen und geehrt hat.

Das Fasten ist eine der fünf Säulen im Islam. Allah möchte den Menschen reinigen. Daher hat Er ihnen das Fasten zur Pflicht auferlegt. Der Mensch muss mit der Zunge fasten, indem er keine Menschen beschimpft oder ihnen das Herz bricht, mit den Ohren, indem er diese z. B.  vor übler Nachrede schützt, mit den Füßen, Händen und allen übrigen Organen, indem er keine verbotenen Orte aufsucht oder den Menschen Schaden zufügt.
Über diese Dinge sagt unser Prophet (Friede sei mit ihm) folgendes:

„Das Fasten ist ein Schutz; so soll er (während des Fastens) weder Schändlichkeit noch Torheit begehen; und wenn jemand ihn zum Zweikampf auffordert oder beschimpft, soll er ihm sagen: „Ich faste. Ich faste.“ 

oder:

„Wer nicht aufhört zu Lügen und Arbeit durch Lüge zu leisten, dem wird Gott kein Wert darauf geben, dass er weder gegessen, noch getrunken hat.“

Wenn unsere Rituale, die wir tagtäglich verrichten, unsere ethischen Werte und unser Sozialverhalten nicht bemerkenswert beeinflussen, kann dies ein Zeichen für unser Fehlverhalten in unserem religiösen Leben bzw. Alltag sein. Es ist bedenklich, wenn das Fasten nur auf Hunger und Durst   beschränkt wird. Das Fasten belehrt den Menschen auch die Ruhe zu bewahren, seine unendlichen Wünsche und Triebe unter Kontrolle zu halten. Es hilft ihm keine Sünden zu begehen.

Der Fastenmonat Ramadan ist daher so viel mehr, als nur eine Pflicht, die geleistet werden muss. Während der Körper hungert, wird die Seele mit so viel Barmherzigkeit ernährt. Und dies werden viele Fastende bestätigen. Dieses Gefühl kommt nicht von ungefähr; denn in einer Überlieferung unseres Propheten heißt es:

„Wenn Ramadan beginnt, werden die Tore des Himmels geöffnet, die Tore des Höllenfeuers geschlossen und die Satane in Ketten gefesselt.“

Das Fasten im Islam hat also mehrere Aspekte. Abgesehen von der formalen Erfüllung einer im Quran von Allah offenbarten Verpflichtung dient es dem Gläubigen dazu, sich in einer bestimmten Zeit intensiver auf Gott zu konzentrieren und sich seines Glaubens neu bewusst zu werden. In der Fastenzeit erhalten die Hingabe des Gläubigen zu Allah, die Befolgung seiner Gebote und das Vertrauen auf seine Rechtleitung eine Aktualisierung, die in den Alltag der kommenden Monate wirken soll.

Für uns als Muslime in Deutschland und Europa ist es schwer den Ramadan voll auszuleben, wie man es beispielsweise in den muslimischen Ländern tut. Der ganze Alltag ist dort auf das Fasten ausgerichtet. Die meisten Arbeiten ruhen tagsüber und mit dem Gebetsruf nach dem Abendgebet erwacht ein ganzes Land zum Leben. Gebetsrufe, große Fastenzelte und Koranrezitationen schmücken die Straßen.

Für uns ist es eine Herausforderung trotz des stressigen Alltags dieses Gefühl in die Gemeinden zu bringen. Es werden täglich Speise und Trank in unseren Gemeinden ausgeteilt für alle Bürger, unabhängig ihres Glaubens. Es werden tägliche Tarawih-Gebete verrichtet nach dem Nachtgebet. Es werden Vorträge gehalten und es wird Bedürftigen geholfen.

Seit dem Fastengebot vor ca. 1400 Jahren haben Muslime diesen Monat als eine Gelegenheit betrachtet, die Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft unter den Menschen zu verbreiten. Bis heute haben sie sich bemüht, Hungersnot entgegenzuwirken, armen Menschen zu helfen und die Waisen zu unterstützen.

Der Ramadan sollte nicht ein Ereignis sein, in dem Menschen sich nur in ihrem eigenen Leben bewegen; in ihrem eigenen Haus alleine speisen.

Mögen die Tage im Ramadan tief im Herzen empfunden werden, mit all ihren Schönheiten und Gemeinsamkeiten, zusammen mit armen und verwundeten Menschen.

Abschließend sei daran erinnert, dass alles, was Allah (t) uns als Pflicht auferlegt hat, zu unserem eigenen Nutzen dient, zu unserer innerlichen sowie äußerlichen Reinigung:

Das Gebet ist die Reinigung des Charakters.

Die rituelle Waschung ist die Reinigung der Gliedmaßen.

Die Zakat (Almosen) ist die Reinigung des Gewinns.

Das Fasten ist die Reinigung des Egos.

Die Pilgerfahrt ist die Reinigung der Gemeinde (Umma).

Die Weisheit ist die Reinigung des Verstands.

Das Bitten um Vergebung ist die Reinigung des Herzens.

Wir erbitten Allah, dass er uns im Monat Ramadan Frieden, Zufriedenheit und
Wohlbehagen gibt und unsere Taten mit seinem Segen und seiner Frömmigkeit füllt und uns Gottesbewusstheit verleiht.

Amin